Hayfever

Wenn Künstler Väter werden, haben die Kinder meist immer einen Platz in ihrem Werk. Rafael Toral spielt Schlaflieder, führt durch ein elektrisches Babyland und widmet diese Soundforschung ganz explizit seiner Tochter. Schön, dass relativ freie Strukturen auch von Vaterliebe durchzogen sein können.

Tomlab nimmt sich, nach ein paar unbestreitbar poppigen Veröffentlichungen, in Sachen Struktur und Appeal wieder ein ganzes Stück zurück. Die Zusammenstellung der beiden Werke „Electric Babyland“ und „Lullabies“ kommt, vielleicht auch deswegen, nur in ganz limitierter Cd-Auflage auf den Markt. Weniger eingängig als der Rest ist es ja tatsächlich, aber auf keinen Fall weniger schön. „Electric Babyland“ ist ein neues Werk, dass sich anscheinend aus „Lullabies“ entwickelt hat und die erste, ruhigere Hälfte der Platte einnimmt. „Lullabies“ selber ist vor einigen Jahren schon einmal als 7“ auf Meeuw Musak erschienen und zeigt noch nicht so viel Entfernung von jeglichem Pattern, wie der vorhergegangene Nachfolger.

Rafael Toral hat für den Grossteil der hier veröffentlichten Tracks lediglich mit einer programmierbaren Spieluhr und einem analogen Modularsystem gearbeitet. Was ein analoges Modularsystem ist, wissen andere bestimmt besser. Die Spieluhr jedoch, ist schon die Essenz der Platte. Die kurzen, plinkernden Töne, die sie erzeugt sind je nach momentaner Dramaturgie mal näher beieinander, mal weiter entfernt. Manchmal nutzen sie die lange Zeit, die zwischen ihnen liegt, jeden einzigen Ton in seiner Wichtigkeit zu bestärken, manchmal tanzen sie auch wirr durcheinander um aus ihren kleinen Gesamtkörpern ein neues, größeres Ganzes zu formen. Alle Töne, aus wesentlich mehr besteht die Musik nicht, wirken zufällig dahingestellt, in punkto Rhythmus und Zeit ungeordnet. Doch die Tonalität eines jeden trifft genau ins Herz. Ich weiß zwar nicht, wie Herr Toral das gemacht hat (wahrscheinlich war’s das futuristische analoge Modularsystem), aber richtig ist hier mal wieder alles. Wenn gegen Schluss dann noch die einsame Gitarre sporadisch gezupft wird, ähnlich wie Loren Mazzacane-Connors das immer so toll macht, bin ich auch mit sperrigen Freeform-Soundscapes mal wieder vollauf zufrieden.
Philipp Bückle